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Erste Berührungen mit dem Karma-Konzept
Vermutlich haben Sie schon ab und zu vom Begriff „Karma“ gehört. Zumeist wird er mit dem fernen Osten – Indien, Japan oder China – assoziiert. Wenn Sie schon einmal in Asien auf Urlaub waren, wird Ihnen der Begriff vielleicht untergekommen sein. Mein Bruder erzählte mir vor vielen Jahren, als er von einem Urlaub in Bali zurückkam, dass „alle dort davon ausgehen, dass alles, was wir tun Karma ist“. Ich selbst begegnete diesem Begriff zum ersten Mal als Jugendlicher, als ich Fantasy-Rollenspiele spielte. Es gab dort die magischen Heldentypen, wie Elfen, Magier, Hexen, usw., die nicht magischen Heldentypen, wie zum Beispiel Krieger, Zwerge, Händler usw. und dann noch die Priester bestimmter Gottheiten. Die Energie, welche diese Priester zur Verfügung hatten, um Wunder zu wirken, wurde „Karma-Energie“ genannt.
Das nächste Mal kam ich dann mit dem Wort Karma etwas tiefgehender in Berührung, als ich mich mit Mitte 20 mit spirituellen Themen zu beschäftigen begann. Ich las unter anderem die „Autobiografie eines Yogi“ von Paramahansa Yogananda und „Die Gesetze der kosmischen Moral“ von Omraam Mikhael Aivanhov. Später beschäftigte ich mich dann intensiv mit den verschiedenen Religionen dieser Welt, unter anderem auch mit Hinduismus und Buddhismus. Dort spielt das Karma-Konzept eine zentrale Rolle.
Woher kommt das Wort Karma?
Das Wort Karma kommt aus dem Sanskrit und bedeutet so viel wie „Wirken“ oder „Tat“. Das dahinter stehende Konzept besagt grob umrissen, dass alles, was wir tun, eine Wirkung hat. Das Ursache-Wirkung-Prinzip ist uns ja aus den Naturwissenschaften vertraut. Wenn ich einen Stein ins Wasser werfe, dann erzeugt sein Eintauchen dort Wellen. Die Vertreter der Karmalehre sagen, dass dieses Prinzip auch im moralisch-geistigen Bereich existiert. Erstmals taucht der Begriff in den Upanishaden auf. Das sind philosophische Schriften aus Indien, die zwischen 700 und 200 v. Chr. verfasst wurden. Es werden darin Themen behandelt wie z.B. das Verhältnis der individuellen Seele (Atman) zur höchsten Wirklichkeit (Brahman), verschiedene Arten der Meditation und Verehrung des Göttlichen sowie die Lehre vom Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara)*.
Im Hinduismus spielt der Begriff eine ganz entscheidende Rolle und ist auch eng mit dem Kastensystem verbunden. Jedenfalls gehen manche Strömungen des Hinduismus davon aus, dass unser jetziger Status im Leben davon abhängt, welche „guten“ oder „schlechten“ Taten wir in vergangenen Leben begangen haben. Das Ziel ist es, sich durch gute Taten im Kreislauf des Lebens hinaufzuarbeiten, um schließlich aus dem Kreis der Wiedergeburten auszubrechen und die endgültige Befreiung (Moksha) zu erlangen. Das Karma-Konzept wurde auch vom Buddha aufgegriffen und spielt in seinen Lehren ebenfalls eine zentrale Rolle.
Das Karma in anderen Religionen
Und wie ist es mit den monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam? Auch im Christentum findet sich das Prinzip von Ursache und Wirkung. Beispielsweise heißt es im Neuen Testament, dass wir ernten werden, was wir gesät haben**. Eine Redewendung in unserer Umgangssprache lautet ja auch nicht von ungefähr: „Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es auch zurück.“
Bereits im Judentum stoßen wir auf das Prinzip „Aug um Aug, Zahn um Zahn“ (2 Mose 21,24). Außerdem heißt es im Buch des Propheten Hosea 8,7: „Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten.“
Vom Säen und Ernten
Der aus Bulgarien stammende spirituelle Lehrer und Philosoph Omraam Mikhael Aivanhov (1900 – 1986) hat einmal in einem seiner zahlreichen Vorträge von den Lehren gesprochen, die wir aus der Landwirtschaft ziehen können. Er sprach dabei von einem universellen Prinzip oder Gesetz, das er so beschrieb: „Dieses Gesetz, das größte, das uns die kosmische Intelligenz gegeben hat, befindet sich dort, wo es niemand sucht. Wo selbst die Philosophen und die Geistlichen es nicht mehr verstehen, ihren Blick hin zu wenden, nämlich in der Natur und insbesondere in der Landwirtschaft. Jeder Landwirt weiß: Wenn er einen Feigenbaum pflanzt, dann wird er keine Trauben ernten, sondern eben Feigen, und von einem Apfelbaum wird er keine Birnen ernten. Dies ist das größte moralische Gesetz: Man erntet das, was man gesät oder gepflanzt hat. Die Landwirte waren demnach die ersten Moralisten; sie hatten erkannt, dass die Intelligenz der Natur ein striktes, unumstößliches Gesetz eingerichtet hatte. Daraufhin beobachteten sie das Leben, das Tun und Treiben der Menschen, und stellten fest, dass man auch dort die gleichen Gesetze wie in der Landwirtschaft wieder findet, dass man nämlich nur das erntet, was man gesät hat.“*** Er bezieht das in weiterer Folge auch auf den Umgang der Menschen untereinander. Wenn wir einander betrügen, belügen oder bestehlen, dann bringen wir damit gewisse „Früchte“ hervor und säen gleichzeitig die Samen für das aus, das uns dann wieder begegnet.
Jesus drückt es ähnlich aus, wenn er in den Evangelien sagt: „Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein Baum ist faul, so wird auch seine Frucht faul sein.“.****
Das Karma in unserer modernen Gesellschaft
Ist also das Karma ein rein intellektuelles oder mystisches Konzept? Hat es für uns hier im westlichen Kulturkreis überhaupt Bedeutung? Ich glaube schon. Wenn man es ganz wörtlich nimmt, bedeutet es nämlich, dass alles, was wir tun, auch Auswirkungen hat. Und das ist unbestreitbar der Fall. Alles, was wir tun – oder nicht tun – hat Auswirkungen. Wie weit diese Auswirkungen reichen, und ob sich diese beispielsweise auch auf so genannte frühere oder zukünftige Leben erstrecken, ist eine andere Frage. Ich persönlich glaube ja, dass wir als „Seelen“ bereits vor unserer Geburt existiert haben und auch weiter existieren werden, wenn unser physischer Körper stirbt und wir die Erde wieder verlassen. Ich glaube auch, dass wir öfter auf die Erde kommen können, wenn wir das wollen, und sehr viele von uns dies auch tun. Ich denke aber, dass das Prinzip des Karmas so zu verstehen ist, dass wir nicht für alles, was wir in vergangenen Leben falsch gemacht haben, unbedingt hier auf der Erde bis zum letzten Tropfen eine Wiedergutmachung leisten müssen. Wir müssen uns mit dem, was wir tun oder getan haben, sicherlich auseinandersetzen, aber das kann meiner Meinung nach auch in der geistigen Welt geschehen. Die geistige Welt ist jener Ort, an den wir als Seelen zurückkehren, wenn wir die Erde wieder verlassen haben – also unsere geistige Heimat.
In seinen Büchern „Die Reisen der Seele“ und „Die Abenteuer der Seelen“ beschreibt der amerikanische Hypnotherapeut Dr. Michael Newton, wie die Seelen in der geistigen Welt auf ihre vergangenen Leben zurückblicken und wie sie begangene „Fehler“ aufarbeiten. Laut Dr. Newton kann die Seele sich in der geistigen Welt auch mit ihren vergangenen Taten beschäftigen, indem sie in eine Art Bibliothek geht und dort in ihrem individuellen Lebensbuch Schlüsselszenen aus vergangenen Leben nachliest beziehungsweise sogar in diese hineingehen kann. Das könnte so ähnlich funktionieren wie bei Harry Potter im zweiten Band „Die Kammer des Schreckens“. Dort begeben sich Harry Potter und seine Freunde immer wieder in das Tagebuch von Tom Riddle. So ähnlich können sich laut Dr. Newton auch die Seelen in der geistigen Welt in Szenen aus ihren früheren Leben begeben und ausprobieren, was sie hätten anders machen können, und wie sich das dann ausgewirkt hätte. Sie können quasi interaktiv lernen und sich dadurch weiterentwickeln. Das heißt aber nicht, dass sie nicht vielleicht trotzdem beschließen, erneut auf die Erde zu kommen, um hier manches noch aus einem anderen Blickwinkel zu erleben. Denn beim Karma geht es auch immer um Gefühle, und nicht nur um einen reinen Perspektivenwechsel. Es geht darum, eine Situation so zu erleben wie der Andere, der mir damals gegenüberstand, als ich das oder jenes tat – mit allen dazu gehörenden Gefühlen und Emotionen. Wenn ich also jemanden geschlagen oder beleidigt habe, dann kann ich am besten nachempfinden, wie diese Person sich dabei gefühlt hat, wenn ich selbst geschlagen oder beleidigt werde. Das ist vielleicht nicht angenehm, erweitert aber das Spektrum meiner Erfahrungen.
Ausflüchte unmöglich!
Ich glaube, dass wir uns alle mit dem auseinandersetzen müssen, was wir tun oder nicht tun – jedenfalls in der einen oder anderen Form. Aber wir entkommen alle nicht dieser Auseinandersetzung. Und wenn wir anderen Menschen oder Lebewesen Schaden zugefügt haben, dann müssen wir uns auch damit beschäftigen. Das bleibt uns allen nicht erspart. Davon ist niemand ausgenommen und niemand kann sich davon freikaufen, weder Könige, Präsidenten noch Superreiche. Vor dem „Großen Leben“ sind wir alle gleich, was auch das Bild mit dem Kreis veranschaulichen soll. Alle Punkte des Kreises haben den gleichen Abstand zum Mittelpunkt. So haben wir als Geschöpfe des „Großen Lebens“ ebenfalls alle den gleichen „Abstand“ zu diesem. Daher gibt es keine Privilegierten oder weniger Privilegierten, und bestimmt auch keine „Auserwählten“. Das Leben behandelt uns alle gleich.
Noch etwas: Alles, was wir tun oder nicht tun, wird in unserem Bewusstsein aufgezeichnet, d. h., wir können uns im Gegensatz zu einem Gerichtsverfahren hier auf der Erde vor unserem eigenen Höheren Selbst und unserem Gewissen irgendwann nicht herausreden, indem wir sagen: „Das war ich nicht, das habe ich nicht gemacht. Ihr könnt mir nichts beweisen.“ Doch, das geht sehr wohl! Denn alles, was wir tun oder lassen, wird meiner Meinung nach aufgezeichnet, multimedial mit Bild und Ton, und zwar genau so, wie es war. Daran sollten wir denken, wenn wir jetzt verschiedene Pläne in Angriff nehmen. Wenn wir anderen Schaden zufügen oder sie in Nachteil setzen, dann müssen wir uns irgendwann damit auseinandersetzen, ob wir wollen, oder nicht.
Das klingt jetzt vielleicht erzkonservativ oder spaßbefreit, aber ich denke, dass es tatsächlich so ist. Aus der Sicht einer Seele kann man das durchaus mit einem Augenzwinkern sehen. Denn für die Seelen ist das, was hier auf der Erde passiert nicht so ernst wie für uns jetzt hier in unserem physischen Körper.
Anderen Lebewesen Schaden zuzufügen, lässt sich auf der Erde nicht 100-prozentig vermeiden. Selbst wenn wir im Sommer das Haus verlassen, können wir versehentlich eine Schnecke zertreten oder ein kleines Insekt verschlucken, vollkommen unbeabsichtigt. Das gehört wohl zu den Lebensbedingungen auf der Erde. Das, was schon problematischer ist, sind Handlungen, die wir bewusst in schädigender Absicht setzen oder bei denen wir einen Schaden anderer Lebewesen in Kauf nehmen. Das ist natürlich ein sehr umfassendes Thema. Denn wenn man diesen Gedanken logisch zu Ende denkt, würde das wohl heißen, dass wir auch keine Tiere essen sollten, wenn wir eine Alternative haben.
Schreiben Sie mir gerne, wie Sie darüber denken. Ich werde dann Ihren Kommentar hier veröffentlichen. Bitte schicken Sie mir dazu ein E-Mail an kontakt@energetiker-pistauer.at.
Liebe Grüße und „machen Sie´s gut“!
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* Vgl. dazu den Wikipedia-Artikel zu den Upanishaden: https://de.wikipedia.org/wiki/Upanishaden
** Brief des Paulus an die Galater 6,7
*** Omraam Mikhael Aivanhov, „Die Gesetze der kosmischen Moral“, S 15, Prosveta-Verlag.
**** Evangelium Matthäus 12,33