44 | „Pole Pole!“ – Begegnungen in Afrika

44 | „Pole Pole!“ – Begegnungen in Afrika

2560 1707 Clemens Pistauer

Quelle: pixabay

In einer anderen Welt gelandet

Im Sommer 2022 machte ich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder eine größere Reise, nämlich nach Tansania. Es war keine klassische Urlaubsreise, obwohl es diese Aspekte auch gab. Vielmehr war es ein „Eintauchen in Afrika“ und eine Begegnung mit den vielfältigen Projekten von Africa Amini Alama. Das ist eine humanitäre Organisation, die vor rund 15 Jahren von der österreichischen Ärztin Dr. Christine Wallner gegründet wurde. Zuerst entstand eine Krankenstation. Im Laufe der Jahre kamen zahlreiche Projekte im Bereich Soziales, Bildung und Tourismus hinzu. Meine Freundin, ihre beiden Kinder und ich haben einige dieser Projekte vor Ort besucht. Über diese Eindrücke und darüber, was es mit “Pole Pole” auf sich hat, möchte ich berichten.

 

Für Dr. Christine Wallner begann alles im Jahr 2008 mit einer touristischen Reise nach Tansania. Wie bereits im vorherigen Blogartikel 43 | Mama Alama – Autobiografie von Dr. Christine Wallner geschildert, wurde sie durch den Kontakt mit einer hochschwangeren Frau auf die prekäre Gesundheitslage aufmerksam. Sie nahm sich der Frau an und organisierte ihren Transport in ein Krankenhaus. Nachdem es sich herumgesprochen hatte, dass sie Ärztin war, wurde sie vom Vorsteher des Dorfes Momella gefragt, ob sie dort eine Krankenstation (Dispensary) eröffnen könne. Sie sagte zu, und es entstand das erste Projekt von Africa Amini Alama. Das ist Kisuaheli und bedeutet frei übersetzt „Afrika, ich glaube an dich“. Momella befindet sich im Norden Tansanias im Grenzgebiet zwischen den Volksgruppen der Meru und der Maasai. Mit der Zeit merkte Christine Wallner, dass es mit einer Krankenstation allein nicht getan war. Es nützt nämlich nichts, Menschen gesundheitlich zu unterstützen, welche zu wenig zu essen und kein sauberes Trinkwasser haben, und deren Kinder nicht zur Schule gehen können. Anknüpfend an diese Erkenntnis entstanden mit Hilfe von Spendern und unter Einsatz ihrer privaten Mittel mehrere Projekte: Schulen, in welchen die Kinder auch Essen bekommen, eine Schneiderei, eine Autowerkstatt, eine Tischlerei, ein Waisenhaus sowie zwei Hotels bzw. Lodges, in welchen Gäste das ursprüngliche Afrika kennenlernen können.

 

Gästehaus des Hillside-Retreat in Momella, Tansania.
Gästehaus des Hillside-Retreat in Momella, Tansania (© Claudia Kerzl)

Wir haben während unseres Aufenthalts übrigens überwiegend in diesen Lodges gewohnt. Die Häuser dort sind in lokaler Lehmbauweise errichtet, gedeckt mit Stroh. Die Einrichtung ist schlicht, die Möbel haben alle eine zumeist rundliche Form, jedes davon ein Unikat. Die Unterkünfte sind sauber, ordentlich und gemütlich, obwohl vielleicht nicht mit den europäischen Hotel- Standards vergleichbar. Das Personal war sehr freundlich, das Essen ausgezeichnet! Wenn man möchte, bekommt man zu jeder Mahlzeit Fleisch, das mit Sicherheit aus Freilandhaltung stammt, da man die Tiere in der Umgebung herumlaufen sieht. Dazu gibt es immer viel Gemüse, wechselnde Beilagen und auch lokale Gerichte wie zum Beispiel Ugali – die tansanische Variante von Polenta. Obst und Gemüse kommen teilweise direkt aus dem eigenen Garten oder von den Bäumen der Lodge.

Zum Thema Nachhaltigkeit möchte ich auch noch unbedingt erwähnen, dass die beiden Lodges von Africa Amini Alama, das „Hillside-Retreat“ und die „Maasai-Lodge“ den Strom für Beleuchtung, Warmwasser und Internetzugang aus Solarenergie beziehen.

 

Ein ganzheitliches Gesundheitszentrum

Luftaufnahme der Heailing Clinic in Momella, Tansania. Ein zentrales Gebäude ist links und rechts von je 8 bogenförmig angeordneten Häusern mit grünen Dächern umgeben.
Luftaufnahme der Heailing Clinic in Momella, Tansania. Ein zentrales Gebäude ist links und rechts von je 8 bogenförmig angeordneten Häusern mit grünen Dächern umgeben (© Africa Amini Alama)

Nachdem dieser Blog sich mit Energetik und Bewusstsein beschäftigt, berichte ich vor allem über jene Projekte und Erlebnisse, die damit in näherem Zusammenhang stehen. Africa Amini Alama hat im Mai 2022 in Momella ein neues Gesundheitszentrum*, die „Healing Clinic“, eröffnet. Es handelt sich dabei im Grunde um zwei lang gezogene Reihen von Bungalows, die durch einen Hof voneinander getrennt sind. Auf der einen Seite finden sich schulmedizinische Einrichtungen wie ein Labor, Optiker und Augenarzt, Physiotherapie, und ein Zahnarzt. Gegenüber befindet sich der alternativmedizinische Bereich mit Homöopathie, Kräutertee-Anwendungen, Akupunktur, Energiefrequenz-Therapie, Dorn- Breuß- Massagen, und noch einigem mehr. Gleich neben der Station liegt ein Garten, in dem die für Tees und Heilsalben verwendeten Kräuter in Permakultur angebaut werden. Außerdem gibt es ganz in der Nähe Bienenstöcke mit einheimischen, stachellosen Bienen, die einen speziellen, schon seit Jahrhunderten in der lokalen Medizin verwendeten Honig produzieren, der ebenfalls in den Therapien zur Anwendung kommt. Was mich bei diesem Gesundheitszentrum so beeindruckt hat, ist das selbstverständliche Nebeneinander von klassischer Schulmedizin und alternativmedizinischen Ansätzen. 

 

Lokale Kräutertees

Frisch geerntete Moringa-Blätter.
Frisch geerntete Moringa-Blätter (© Africa Amini Alama)

Als Energetiker interessierten mich natürlich auch die zu therapeutischen Zwecken verwendeten Kräutertees. Es werden dabei Mischungen verschiedener Kräuter verwendet. So enthält beispielsweise der „Strenghtening Tea“ eine Mischung aus Ingwer, Hibiskus, Zitronengras und Moringablättern. Moringa ist eine lokale Heil- und Nutzpflanze, die seit langem u.a. in der Kräutermedizin Verwendung findet. Sie enthält eine große Bandbreite an Vitaminen und Mineralien, hat eine antibakterielle und antifungizide Wirkung und regt den Stoffwechsel an. Dadurch wirkt Moringa energetisierend und belebend. Die Moringasamen werden dafür verwendet, verunreinigtes Wasser trinkbar zu machen.**

Moringa wird von Africa Amini Alama in Permakultur angepflanzt. Die dadurch gewonnenen Blätter werden u.a. in den Schulen und im Waisenhaus den Kindern als wertvolle Nahrungsergänzung in ihr Porridge gemischt.

Ich habe den „Strenghtening Tea“ immer wieder zum Frühstück getrunken und fand ihn nicht nur sehr wohlschmeckend, sondern tatsächlich stärkend und belebend. Auch andere Tees habe ich versucht und mir auch einige davon nach Österreich mitgenommen.

Die in Momella hergestellten Tees gibt es übrigens auch in Österreich zu kaufen, nämlich in der Saint Charles Apotheke in Wien: https://saint-charles.eu/ 

 

Plastik wird vor Ort recycelt

Die Projekte von Africa Amini Alama haben den Anspruch, nachhaltig zu sein. Insofern freute es mich, als wir beim Besuch der Tourismusfachschule (wird besucht von Schülern zwischen 14 und 16 Jahren) von einem Schüler, der übrigens ausgezeichnet Englisch spricht, in einen Raum für das Plastik-Recycling geführt wurden. Dort erklärte er uns, wie das Plastik von den Schülern eingesammelt, gewaschen und in sechs verschiedene Kategorien sortiert wird. Dann wird es in einer Maschine eingeschmolzen und in Formen gegossen (Bild rechts). Daraus entstehen Dinge wie Übertöpfe für Pflanzen, Knöpfe, Lineale und Schlüsselanhänger. Da in der Umgebung von Momella sehr viel Plastik herumliegt, wird diese Anlage dringend gebraucht.

Tourismusschule in Momella, Tansania. Zwei junge Männer stehen bei einem Tisch mit Gussformen für das Recyceln von Plastik.
Zwei junge Männer stehen vor einem Tisch mit Gußformen zum Recycling von Plastik (© Claudia Kerzl)

Unterricht nach Montessori

Ein afrikanisches Vorschulkind arbeitet mit Montessori-Material.
Ein Vorschulkind arbeitet mit Montessori-Material (© Africa Amini Alama)

An die Tourismusschule angrenzend befinden sich die Klassen der Pre-School (Vorschulklassen). Diese werden nach den Prinzipien Maria Montessoris unterrichtet. Maria Montessori war eine italienische Ärztin und Pädagogin. Sie entwickelte Materialien für den Unterricht, die selbstbestimmtes und individualisiertes Lernen der Kinder fördern. Samson, einer der Montessori-Pädagogen in Momella, freute sich sehr über unser mitgebrachtes “Goldenes Perlenmaterial” für den Mathematikunterricht

 

 

Herz, Verstand und Gemütlichkeit

In energetischer Hinsicht möchte ich erwähnen, dass das „Feeling“ vor Ort sehr entspannt und angenehm war. Das lag natürlich bis zu einem gewissen Grad daran, dass ich mich auf Urlaub befand, aber ich hatte schon den Eindruck, dass die Menschen dort insgesamt um einiges entspannter sind, als wir hier in Europa. Die Dinge gehen natürlich manchmal nicht so schnell wie bei uns. Aber gut, die Frage ist auch: ” Muss das unbedingt sein?” Ich nahm bei den Menschen, mit denen ich in Kontakt war, eine große Freundlichkeit und Herzenswärme wahr. Wenn wir mit unserem Guide im Auto unterwegs waren, hielt er immer wieder mal kurz an, um mit einem Bekannten bei laufendem Motor mitten auf der Straße einige Worte zu wechseln. Dann fuhren wir weiter. Die Fortbewegung geht dort grundsätzlich nicht so schnell vonstatten. Nur die aller wenigsten Straßen sind asphaltiert, und so geht es über Pisten mit großen Schlaglöchern und Steinen dahin. Unser Guide erklärte uns gleich am ersten Tag, das sei „The African Massage“ – so toll wurden wir durchgeschüttelt. Wir hatten jedenfalls in diesen zwei Wochen nicht nur die Gelegenheit, einige Safaris zu machen, um wilde Tiere anzuschauen, sondern viel von dem Leben der Menschen mitzubekommen. Einmal waren wir beispielsweise im Haus einer Maasai-Familie zu Gast. Es war ein kleines, rundes Lehmhaus, wahrscheinlich insgesamt nicht mehr als 15 m² groß, mit einem winzigen Vorraum und einem größeren Hauptraum. Dort brannte am Boden ein Feuer, dessen Rauch durch die Tür abzog. In der Nähe des Feuers standen einige Haushaltsgegenstände am Boden. Die übrige Fläche des Raums nahm ein mit Kuhhaut bespanntes Holzgestell ein, auf dem die ganze Familie schläft.

Mehr über die Projekte von Africa Amini Alama finden Sie unter: https://africaaminialama.com/projekte

Mein Fazit: Eine sehr bereichernde Erfahrung! Uns hier in Europa würde es meiner Meinung nach überhaupt nicht schaden, ebenfalls ein bisschen „langsamer zu machen“, und die Dinge mit weniger Stress anzugehen. „Pole, Pole“- wie die Leute es in Tansania auf Suaheli sagen.

 

*Die 2010 ursprünglich auf öffentlichem Boden errichtete Krankenstation wurde vor einigen Jahren an den Staat übergeben und wird nun von diesem geführt.

**Vgl. dazu: Anwar, F., Latif, S., Ashraf, M., & Gilani, A. H. (2007). Moringa oleifera: a food plant with multiple medicinal uses. Phytotherapy Research: An International Journal Devoted to Pharmacological and Toxicological Evaluation of Natural Product Derivatives, 21(1), 17-25. Gefunden bei Pubmed

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