43 | Mama Alama – Autobiographie von Dr. Christine Wallner

43 | Mama Alama – Autobiographie von Dr. Christine Wallner

2048 1357 Clemens Pistauer

Bild: © Africa Amini Alama

aktualisiert am 24.9.2024

Über ein gutes Buch gestolpert

Bedingt durch eine Verkettung glücklicher Umstände hatte ich die Gelegenheit, im Sommer 2022 mit meiner Freundin und ihren beiden Kindern nach Tansania zu fahren. Meine Freundin unterstützt seit einiger Zeit die humanitären Projekte von „Africa Amini Alama“, jener Organisation, die von der österreichischen Ärztin Dr. Christine Wallner 2010 ins Leben gerufen wurde. Sie ist im Norden Tansanias tätig. Seither sind dort unter anderem mehrere Schulen, ein Waisenhaus, eine Krankenstation, ein multidisziplinäres Gesundheitszentrum (Healing Clinic) und zwei Lodges zur Unterbringung von Gästen entstanden. Eine dieser Unterkünfte ist die „Maasai Lodge“, in welcher wir uns ungefähr eine Woche lang aufgehalten haben. Dort fanden wir ein Exemplar des Buches „Mama Alama – Die weiße Heilerin“ vor, das Christine Wallner 2014 über ihr Leben und ihre Arbeit in Tansania geschrieben hatte. In diesem Artikel werde ich über dieses Buch berichten.

 

Eine vielschichtige Persönlichkeit

Christine Wallner wurde im Sommer 1945 in Wien geboren. Die Zeit ihrer Kindheit und Jugend erlebte sie als schwierig und herausfordernd. Dies hatte vor allem damit zu tun, dass in ihrem Elternhaus starke Spannungen herrschten. Ein Lichtblick für sie waren ihre Großeltern. Manchmal flüchtete sie sich sogar in eine Krankheit, um dann während ihrer Genesung bei ihnen sein zu können. Nach dem Abschluss des Gymnasiums schrieb sie sich an der Universität Wien zum Studium der Rechte ein, hauptsächlich deshalb, um damit dem Herzenswunsch ihres Vaters zu entsprechen, der selbst Rechtsanwalt war. Aus dem Ehrgeiz heraus, ihre Sache besonders gut machen zu wollen, absolvierte sie das Studium mit Auszeichnung, ohne jedoch wirklich Freude daran zu haben.

Mit Anfang 20 lernte sie den um zehn Jahre älteren Leo Wallner kennen. Dieser bewegte sich in exklusiven Kreisen von Politik und Wirtschaft, und sollte etwas später eine steile Karriere als Vorstand eines österreichischen Glücksspielunternehmens machen. Christine und Leo heirateten und bekamen zwei Kinder. Neben ihrem Leben als Society-Dame engagierte sich Christine Wallner schon früh im humanitären Bereich. Dabei entdeckte sie ihr Talent, das Leben anderer Menschen auf positive und hilfreiche Weise zu beeinflussen.

Mit der Zeit stellte sich immer mehr heraus, dass sie und ihr Mann sehr unterschiedliche Ansichten und Prioritäten hatten. Die Ehepartner entwickelten sich zunehmend auseinander. Beide hatten im gegenseitigen Einverständnis außereheliche Beziehungen. Gesundheitlich ging es Christine in dieser Zeit nicht gut. Mit etwa 20 Jahren zeigten sich bei ihr Symptome einer Autoimmunerkrankung, die ihr Gesicht entstellte und sogar zu wiederholten Krankenhausaufenthalten führte. Die Wunden in ihrem Gesicht konnte sie nur durch intensives Auftragen von Kosmetika überdecken.

Einem inneren Ruf folgend, begann Christine Wallner schließlich im Jahr 1983, mit 38 Jahren, Medizin zu studieren. Trotz Bedenken wegen ihres Alters und einiger Anlaufschwierigkeiten schloss sie das Studium im Jahr 1989 mit Auszeichnung ab.

 

Lehr- und Wanderjahre

Danach arbeitete sie mehrere Jahre in verschiedenen Krankenhäusern, um einen umfassenden Einblick in das österreichische Gesundheitssystem zu erhalten. Parallel dazu interessierte sie sich sehr für alternative und energetische Heilmethoden und absolvierte zahlreiche Ausbildungen in diesem Bereich. In diesem Zeitraum verbesserte sich der Zustand ihrer Haut laufend und die Symptome ihrer Autoimmunerkrankung verschwanden immer mehr. In ihrem Privatleben schuf sie klare Verhältnisse, indem sie sich scheiden ließ. Im Jahr 1995 eröffnete sie in Wien ihre eigene Praxis mit dem Schwerpunkt auf alternativmedizinischen Methoden. Es war ihr immer wichtig, den Menschen in seiner Einzigartigkeit zu betrachten. In den folgenden Jahren vertiefte sie ihr Wissen auch auf zahlreichen Forschungsreisen, die sie unter anderem nach Indien, Tibet und Südamerika führten. Ihre Tochter Cornelia, die mittlerweile ebenfalls Medizin studiert hatte, begleitete sie auf vielen dieser Reisen.

Ein gelber Pfeilgiftfrosch sitzt auf dem Erdboden.
Baumsteigerfrosch, auch Pfeilgiftfrosch genannt (Quelle: Pixabay)

Eine der spektakulärsten dieser „Expeditionen“ führte die beiden Damen in das Gebiet des Amazonas auf der Suche nach dem Frosch, aus welchem die dortigen Indianer das Pfeilgift für ihre Blasrohre gewinnen. Sie reisten in die entlegenste Forschungsstation im Amazonas-becken und erklärten dem dortigen Guide, dass sie auf der Suche nach dem Pfeilgiftfrosch seien. Auf diese Aussage hin wurden sie erst einmal herzlich ausgelacht. Der Guide sagte Ihnen, dass es hier diesen Frosch nicht gäbe, und wenn man ihn doch finden könnte, dann sicher nicht zu dieser Jahreszeit, weil es im Moment hier viel zu trocken sei. Christine und Cornelia Wallner ließen sich durch diese überraschende Eröffnung nicht entmutigen und durchkämmten innerhalb der nächsten Woche den Urwald auf der Suche nach dem Frosch. Als es am letzten Tag daran ging, wieder die Kanus zu besteigen, beschlichen auch die stets optimistische Christine schon leise Zweifel, ob sie diesmal Erfolg haben würden. Zwei Stunden vor der Abreise streifte sie gedankenverloren in der Nähe des Lagerplatzes umher, als sie plötzlich am Wegesrand einige Meter von sich entfernt den Pfeilgiftfrosch sitzen sah.

Aus einem Reflex heraus nahm sie den Frosch rasch in die Hand und setzte ihn in ein mitgebrachtes Glas. „Zwanzig Minuten musst du da drin bleiben“, murmelte sie dem Frosch zu. Nach der Gewinnung des Sekrets mit Hilfe destillierten Wassers wurde der Frosch unversehrt freigelassen. Christine und Cornelia Wallner verwenden das daraus gewonnene homöopathische Medikament bis heute mit Erfolg. 

In Tansania

Christine Wallner und eine weitere Dame stehen vor einem Haus mit Strohdach. Das war Frau Wallners erstes Haus in Momella.
Christine Wallner und eine weitere Dame stehen vor einem Haus mit Strohdach. Das war Frau Wallners erstes Haus in Momella.

Im Jahr 2008 reiste Christine Wallner als Touristin nach Tansania. Dort erlebte sie durch Zufall, wie schwierig die Gesundheitsversorgung ist, als sie auf der Straße einer hochschwangeren Frau begegnete, die dringend medizinische Hilfe benötigte. Sie erstversorgte die Frau und organisierte ihren Transport in das nächste Spital. Damals hielt sie sich in einem kleinen Ort namens Momella auf, wo schließlich der lokale Dorfvorsteher mit dem Wunsch an sie herantrat, ob sie nicht eine Krankenstation eröffnen könne. Eine solche werde hier dringend gebraucht. Sie willigte ein und aus diesen Anfängen entstand schließlich Africa Amini Alama, was frei übersetzt so viel bedeutet wie: „Afrika, ich glaube an dich.“

Momella liegt im Norden Tansanias im Grenzgebiet zwischen den Stämmen der Meru und der Maasai. Für Christine Wallner begannen mit dem Aufbau der Krankenstation und weiterer humanitärer Projekte sehr erfüllende und gleichzeitig sehr herausfordernde Jahre.

Sie lernte in Momella einen afrikanischen Mann kennen, mit welchem sie eine Partnerschaft einging. Dieser Mann hieß Mangusha und war ein Farmer aus dem Ort.

Cornelia Wallner-Frisee mit Kindern vor der Krankenstation in Momella.
Cornelia Wallner-Frisée mit Kindern vor der Krankenstation in Momella (© Africa Amini Alama)

Mittlerweile war auch ihre Tochter Cornelia mit ihren beiden kleinen Kindern zu ihr gestoßen und verstärkte ihr Team. Die Krankenstation wurde von der lokalen Bevölkerung sehr gut angenommen. Von immer weiter her kamen die Menschen, um sich die benötigte medizinische Unterstützung zu holen. Christine Wallner beschreibt in ihrem Buch, wie viel Freude es ihr bereitete, das Werk von Africa Amini Alama wachsen zu sehen.  Spender traten unverhofft auf den Plan, und so konnten weitere Projekte wie zum Beispiel eine Schule im Maasai-Land, ein Waisenhaus und eine Schneiderei realisiert werden. Es tauchten aber auch Schwierigkeiten ungeahnten Ausmaßes auf. Zunächst gab es ein Jahr lang starke Trockenheit. Die Pflanzen wuchsen nicht und verdorrten. Viele Tiere verendeten, weil sie nicht genug Wasser fanden, und unter der Bevölkerung gab es die ersten Hungeropfer. Es war ein Schock für Christine Wallner, dies miterleben zu müssen und im Moment nur bedingt etwas tun zu können. Ja, es wurden Lebensmittel angeschafft und Felder in weiter entfernten Gegenden gekauft, um für eine nächste Eventualität gerüstet zu sein. Im Moment half dies aber nur bedingt und außerdem musste sie feststellen, dass man in Europa mit den Nachrichten von hungernden Menschen in Afrika keine Spenden mehr lukrieren konnte.

Im darauf folgenden Jahr regnete es wieder mehr, und das Land erholte sich. Alle atmeten auf. Allerdings stand bereits die nächste Krise vor der Tür. Diesmal war es eine Auseinandersetzung mit dem teilweise korrupten Gesundheitssystem. Anlass war der Tod einer ihrer Patientinnen, welche in einem staatlichen Krankenhaus verblutet war, weil der zuständige Arzt die Behandlung erst beginnen wollte, nachdem er eine Extra-Zahlung erhalten hätte. Die Gesundheitsbehörden gaben Africa Amini Alama die Schuld am Tod der Patientin, und die Lage eskalierte bis zu einem Punkt, an dem sogar die Ausweisung Christine Wallners und ihrer Tochter Cornelia im Raum stand. Unter Mithilfe der lokalen Bevölkerung, vor allem der Maasai, und durch geschickte Verhandlungen Cornelias mit den Gesundheitsbehörden konnte die Krise überwunden werden. Allerdings musste die Krankenstation in Momella in staatliche Hände übergeben werden. Immerhin konnte dadurch die Arbeit von Africa Amini Alama weitergehen.

Ausführlich schildert Christine Wallner auch die Entstehung eines weiteren Projekts, das sie mit Hilfe der Maasai verwirklicht hat. Es ist eine Lodge, in welcher Gäste aus allen Teilen der Welt die ursprüngliche Lebensweise der Maasai kennenlernen können. Man übernachtet dort in Lehmhäusern, die an unsere Standards angepasst sind. Sie wurden nach der lokalen Bauweise errichtet. Auf Nachfrage bei unserem Guide stellte sich heraus, dass zunächst ein Geflecht aus Ästen errichtet wird, welches dann mit einer Mischung aus Kuhdung und Materialien aus einem Termitenhügel aufgefüllt wird. Dies ist der „Zement“ der Maasai. Das Dach wird mit Savannengras gedeckt. Ich fand es sehr angenehm, eine Woche lang in einem solchen Haus zu wohnen und fühlte mich dabei mit der Erde verbunden.

In einer Savannen-Landschaft stehen mehrere strohgedeckte Häuser der Maasai-Lodge im Norden Tansanias. Im Hintergrund erblickt man den Kilimanjaro.
In einer Savannen-Landschaft stehen mehrere strohgedeckte Häuser der Maasai-Lodge im Norden Tansanias. Im Hintergrund erblickt man den Kilimanjaro (© Claudia Kerzl)

 

Was mir besonders gefallen hat

Beeindruckt hat mich an Christine Wallners Buch vor allem, dass sie nicht nur über ihre Erfolge, sondern auch über ihre persönlichen Krisen und Schwachpunkte berichtet.

Auf einer ihrer Forschungsreisen gemeinsam mit ihrer Tochter Cornelia bekam sie beispielsweise – obwohl Ärztin und mit derlei Phänomenen vertraut – in einem heruntergekommenen, verrauchten Hotel in Indien eine Panikattacke und befürchtete, zu sterben. Sie diktierte Cornelia sogar ihr Testament, obwohl diese sie mit den Worten zu beruhigen versuchte: „Mami, du wirst sehen, es kommt ein Morgen. Du musst nur diese Nacht durchstehen und dann wirst du weiterleben.” Und so war es dann auch…

Das Buch von Christine Wallner enthält noch eine Fülle interessanter Details und Informationen, die es absolut spannend und lesenswert machen. Ich kann es wirklich sehr empfehlen. Leider ist das Buch derzeit nur gebraucht erhältlich, eine entsprechende Recherche im Internet bringt rasch eine Auswahl an Bestellmöglichkeiten.

Christine und Cornelia Wallner – Interviews/Videos

  • Interview auf OKTO-TV mit Frau Christine Wallner vom 25.10.2021, in welchem sie weitere interessante Details über ihr Leben und über ihre Zeit in Afrika erzählt.
  • Kurz nach unserer Rückkehr aus Tansania entstand auch eine ca. zwanzigminütige auf YouTube veröffentlichte Dokumentation von Sonja Steger vom 7.4.2023 mit dem Titel „Mama-Alama-Die weiße Heilerin“. Sie stellt die Arbeit von Christine Wallner in Tansania und ihre Projekte vor.
  • Interview mit Cornelia Wallner-Frisée in der ARD-Audiothek. Darin berichtet sie sehr privat über das Leben mit ihren beiden Kindern in Tansania.

Wenn Sie sich für die Projekte von Africa Amini Alama interessieren, dann finden Sie weitere Informationen auf deren Homepage: https://africaaminialama.com/

Im folgenden Artikel 44 | „Pole Pole!“- Begegnungen in Afrika beschreibe ich, wie wir bei unserem Aufenthalt im Juli 2022 die einzelnen Projekte wahrgenommen haben.

 

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